The Spirit of Photography

Keine noch so ausgefeilte Technik wird die wesentlichste Eigenschaft der Fotografie entkräften: die Begabung, Menschen zu verzaubern

Ein gutes Foto ist nie vollständig lesbar. Es bleibt geheimnisvoll. Schon allein, weil es gegenüber der sichtbaren Welt die dritte Dimension eingebüsst hat. Es liegt am Betrachter, die Lücken auszufüllen, mit Sinn und Sinnlichkeit. Die Bilder geben uns das trügerische Gefühl, der davon eilenden Zeit ein „Halt“ zugerufen zu haben. Als Gegenleistung fordert das Foto von uns die traurige Einsicht, nach jedem Klick schon wieder ein anderes zu sein. Der Reiz von erzählenden Fotos liegt aber auch in deren Zufälligkeit. Jedes Bild kann zu einem späteren Zeitpunkt neu „gelesen“ werden, weil es mehr zeigt als der Fotograf gesehen hat.
Der Fotograf. Während sich ringsum alles verändert, ist er Handwerker geblieben. Letztlich nur ein Mensch, der sich einen Kasten umhängt, vorn mit einem Loch, und versucht durch das Loch Licht einzufangen. Nun bekommt er Konkurrenz. Es sind Neue eingezogen, die die Kamera nur noch als Rohstofflieferanten gebrauchen. Fotografen wollen sie nicht heissen. Auch wenn sie nach wie vor Licht brauchen, um ein Bild von der Welt aufzuzeichnen. Es sind Digitalen die am Computer die Bilder zeichnen können.

Die Fotografie ist ins digitale Zeitalter vorgedrungen. Die Fotografen sorgen sich, wie einst die Maler vor 170 Jahren, vor der neuen Technik. Nur ist es jetzt umgekehrt. Heute fürchten sich die Fotografen, dass ihnen der Pinsel wieder in die Hand gedrückt wird, nämlich in Form einer Computermaus.
Bilder entstehen am Bildschirm. Gibt es keine wilden Tiere mehr, so baut man die Zebraherde eben selber. Einem Bild kann niemand mehr ansehen, ob es die Wahrheit sagt oder nicht. Die Wahrheit liegt beim Betrachter selbst. Die Kamera hat das Einfache ins Rätselhafte und Obskure verwandelt. Im demselben Augenblick öffnet das Bild sich zeigend und doch verschliessend. Und hier liegt der Unterschied zur Computerfotografie. Das erfundene Bild macht nur Spass. Das gefundene aber enthält ein Mysterium.
Durch die Computerfotografie ist alles möglich. Allein der Fotograf mit seinem Namen steht für die Wahrhaftigkeit seines Bildes ein. So werde auch ich mit umgehängten Kästen, das Licht der Welt einfangen zu versuchen. Ein Baum ist kein Baum, sondern etwas noch nie Gesehenes. Bilder im Streit gegen die Zerstreuung. Ganz still und doch nicht stumm. 

Gut Licht Niki Huwyler

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